BGH: Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils möglich; Urteil vom 1.2.2017-XII 601/15
Nach einer- mit großer Spannung erwarteten – Entscheidung des BGH vom 1. Februar 2017 ist es nun grundsätzlich möglich, dass im Rahmen einer vor dem Familiengericht zwischen getrennt lebenden Eltern verhandelten Umgangsregelung auch gegen den erklärten Willen eines Elternteils im Einzelfall ein sog. Wechselmodell angeordnet werden kann.
Im Leitsatz der BGH-Entscheidung heißt es:
“ a) Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, wird vom Gesetz nicht ausgeschlossen. Auch die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil hindert eine solche Regelung für sich genommen noch nicht. Entscheidender Maßstab der Regelung ist vielmehr das im konkreten Einzelfall festzustellende Kindeswohl.“.
b) die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung setzt eine bestehende Kommunikation-und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus. Dem Kindeswohl entspricht es daher nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit erst herbeizuführen.
c) ist das Verhältnis der Eltern erheblich Konflikt belastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes.“
Mütter und Väter, die ihr Kind nach der Trennung im gleichen Umfang wie der Ex-Partner betreuen wollten, konnten eine solche Regelung bislang grundsätzlich nach der gängigen Praxis der Familiengerichte nicht gegen den Willen des anderen Elternteils durchsetzen. Ein Wechselmodell kann z.B. so aussehen, dass das Kind eine Woche bei der Mutter lebt und dann für die nächste Woche beim Vater. Eine solche Regelung, kann nun aber gegebenenfalls dennoch gegen den Willen eines Elternteils durchgesetzt werden, wenn sie dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Solange beide Eltern das Sorgerecht haben, spricht danach grundsätzlich nichts gegen eine gleichberechtigte Betreuung. Der BGH weist in seiner Entscheidung aber zugleich auch darauf hin, dass die Organisationen eines paritätischen Wechselmodells höhere Anforderungen an alle Beteiligten stelle, weshalb für den Fall, dass die Eltern stark zerstritten sind, das Modell deshalb in aller Regel nicht im Interesse des Kindes liegen dürfte. Einer größeren Bedeutung dürfte daher künftig auch dem Kindeswillen zukommen. Entscheidend wird mithin auch sein, wie das Kind selbst leben möchte. Je älter das Kind wird, desto wichtiger würden nach Auffassung des Gerichts auch seine Wünsche und Vorstellungen sein, weshalb das Gericht das Kind immer persönlich anzuhören hat.